Dem König aufs Haupt gestiegen

Gr. Angelus, Vertainspitze, Cevedale, Ortler -
mit Hans Sterr unterwegs im Ortlergebiet

15.-21. Juli 2006

 

Eine Hochtourenwoche führte eine Gruppe des Alpenkranzl Erding unter Leitung von Hans Sterr in das Gebiet von „König Ortler“, dem mit 3905m höchsten Berg der Alpen östlich der Schweiz, um dort einige Dreitausender zu besteigen.

Blick über das Zaytal zum Ortler
Am Gipfel des Großen Angelus Den Beginn machte eine Tour von der wunderschön wie auf einem Aussichtsbalkon über Sulden in Südtirol gelegenen Düsseldorfer Hütte aus: Der Große Angelus und die Vertainspitze, beide mehr als 3500m hoch, wurden in einem Rutsch bestiegen. Der anspruchsvolle Anstieg, vor allem über den „Reinstadler-Weg“ auf den Angelus, und der konditionell zehrende Weiterweg über die Vertainspitze forderte von den Teilnehmern vollen Einsatz; letztlich meisterten aber alle die Tour, auch wenn der eine oder andere zum Schluss schon eher auf dem Zahnfleisch daher kam. Zunächst geht es von der Hütte in einfachem Gehgelände los; die Abzweigung zum „Normalweg“ auf den Angelus über die Angelus-Scharte wird wegen Ausaperung und damit verbundener Steinschlaggefahr praktisch nicht mehr begangen. Man hält sich an die Wegweisung zum Reinstadler-Weg, dessen Einstieg deutlich erkennbar ist: Ab hier geht es steil durch die Felsen mit Kletterstellen bis I, an ausgesetzteren Stellen helfen Drahtseilversicherungen. Nach etwa 150 Hm erreicht man wieder leichteres Gelände und kann dem Grat bis zum Gipfel folgen (ab und zu wieder leichte Kletterstellen). Den steilen Gletscher kann man zur Abkürzung und zur Vermeidung der Kletterei am Gipfelgrat betreten, muss aber nicht.

Nach kurzer Rast am eigenwilligen Gipfelkreuz (es gleicht mehr einem Turngerät) stiegen wir unschwierig über den Westgrat zur Angelus-Scharte ab. Von hier erreicht man leicht den Laaser Ferner. Für den Aufstieg zur Vertainspitze ist nun sowohl in Führer als auch Karte der Weg über den Ostgrat eingezeichnet – der Grat ist mittlerweile aber so zerborsten und brüchig, dass davon nur dringend abgeraten werden kann. Der Weiterweg sollte wie bei uns über den Laaser Ferner zum Rosimjoch führen (im Anstieg zum Joch Achtung auf die Randkluft!). Von hier zunächst soweit möglich auf selber Höhe weiter (um die brüchigsten Stellen zu vermeiden) und dann über Blockwerk unschwierig zum Gipfel. Das brüchige Zeug hat Heike und Peter dazu veranlasst, umzukehren und sich statt der Gipfelschau eine Rast in der Sonne zu gönnen ... Wir stiegen dann über den Rosim-Ferner ab (spaltenarm, deshalb ohne Seil; vor den Steilstellen umgeht man den Gletscher auf der Moräne) und stiegen dann über die „Kanzel“ wieder zur Düsseldorfer Hütte auf; die mehr als 300 Hm Gegenanstieg haben bei manchen ordentlich an Kondition und auch Nerven genagt. Das gute Essen auf der Hütte und a Glaserl Wein haben aber dann alles wieder in Ordnung gebracht ...

Am Gipfel der Vertainspitze
Casati-Hütte: Öha! Nach dieser Trainings- und Akklimatisierungstour wurde die Hütte gewechselt. Von Sulden aus fuhren wir mit der Seilbahn zu Schaubachhütte, von wo wir über den Gletscher und den Eissee-Pass zur 3200m hoch gelegenen Casati-Hütte aufstiegen. Ein Wort zu dieser Hütte? Na gut. Das Essen: Ja mei; das Frühstück: Oh mei; die Gemütlichkeit: Oh je; die Preise: Öha. Im Ernst: Ein schwächeres Preis-Leistungs-Verhältnis wird sich nicht leicht finden lassen; eine teurere Hütte ist mir ohnehin bislang nicht begegnet (HP 43.- Euro, ein Bier 0,66l für 6.- Euro). Dabei wird die Hütte nicht vom Hubschrauber, sondern über Materiallift versorgt. Dass die Hütte zu der Zeit gerade auch noch Baustelle war – dafür können sie nix, aber besser ist es dadurch natürlich auch nicht geworden.

Von der Hütte aus ging es am nächsten Tag auf den 3769m hohen Cevedale, der diesmal von allen ohne Probleme gemeistert wurde, wenn auch der Steilaufschwung konzentriertes Steigeisen-Gehen erfordert und der ausgesetzte Gipfelfirngrat Respekt einflößt. Auf diesem Gipfel kann man auch gut die Reste der Ortlerfront aus dem Ersten Weltkrieg begutachten: Von den kriegerischen Aktivitäten zeugt eine verfallene Hütte – und der unglaublicherweise immer noch wahrnehmbare Dieselgeruch.

Am Gipfelgrat des Cevedale
Spaltenbergung: Üben, üben, üben ... Da die Etappe relativ kurz war, konnten wir am Nachmittag auch noch ein wenig Spaltenbergungstechniken üben. Dass die Meinungen über die korrekte Reihenfolge der Handgriffe zwischen einem kürzlichen Teilnehmer des Alpenkranzl-Gletscherkurses und dem Tourenleiter manchmal auseinander gingen, ist verkraftbar, denn: Natürlich hat der Tourenleiter immer recht !

Nach einer weiteren Nacht auf der Hütte ging es dann der (im wahrsten Sinne des Wortes) Königsetappe zu. Leider musste dabei der Peter wegen Kniebeschwerden die Tour abbrechen und im Tal bleiben. Die verbliebenen vier Alpenkranzler aber stiegen zur Payer-Hütte auf. Diese Hütte allerdings kann jedem Bergsteiger nur empfohlen werden: Tolle Lage, sehr feines Essen, freundliche Wirtsleut, und für uns eine eigenes, holzgetäfeltes Zimmer. Und die HP kostet nur 32.- Euro, ein Bier (0,5) 3,50 Euro. An Wochenenden soll es recht zugehen, aber bei unserem Aufenthalt war’s sehr gemütlich und gut auszuhalten. (Es lohnt sich übrigens auch für reine Wanderer, der Hütte einen Besuch abzustatten; sie ist für trittsichere Berggänger problemlos erreichbar.)

Die Payer-Hütte
Am Tschierfeck Gut gestärkt durch ein reichliches Frühstück begann dann früh am nächsten Morgen der Aufstieg, der vor allem in der unteren Hälfte seine Schwierigkeiten hat: Schlüsselstelle war aber nicht wie erwartet das Tschierfeck, sondern eine griff- und trittarme Gratkletterei nach der Tabarettaspitze und die Kletterei unterhalb des Lombardi-Biwaks, über die man beim Rückweg abseilt (etwa 10-12m). Im Führer ist diese Stelle noch als Firn-/Eisrampe ausgewiesen; wenn die Ausaperung so weitergeht, werden sich da wohl noch weitere Schwierigkeiten auftun. Insgesamt erfordern ausgesetzte Felsgrate, häufige Kletterstellen und brüchiges Gestein volle Konzentration bis zu einem Anstieg in steilem Eis (nach dem Bärenloch), nach dessen Überwindung man aber die Probleme hinter sich hat und eher geruhsam in Seilschaft dem Gipfel zustreben kann. Natürlich haben wir die Gipfelschau bei bestem Wetter (so wie die ganze Woche) entsprechend genossen.

Der Abstieg kehrt das Ganze dann natürlich um: Weiter unten kommen die Schwierigkeiten. Steilabstieg im Eis, Abseilen am Bärenloch, ausgesetztes Klettern, halbe Stunde Stau (das gibt’s also nicht nur auf der Autobahn) an der klettertechnischen Schlüsselstelle, Abklettern am Tschierfeck, steinschlaggefährdete Querungen ... apropos Steinschlag: An der Querung vom Bärenloch hinüber zum Felsgrat kommt da auf dem steilen Gletscherrest jede Menge kleineres und größeres Zeug daher, das sich durch die Tageserwärmung löst; es schadet deshalb nix, diese Stelle schnell hinter sich zu bringen ... Schließlich biegt man dann endlich um die Ecke und sieht die Payer-Hütte wieder. Werner hätte vor Freude da am liebsten einen Salto geschlagen („wenn ich jetzt der Miro Klose wär ...“), wovon der Tourenleiter aber wegen des Geländes dann doch abriet.

Im Aufstieg zum Ortler
Am Gipfel des Ortler Der Gipfelerfolg (und die ganze Woche) wurde dann am Abend auf der Hütte entsprechend gefeiert, bevor die Gruppe am nächsten Tag nach Sulden abstieg und wieder ins heimatliche Erding zurückreiste.
   
Teilnehmer/innen: Heike Herrmann, Thomas Höhn, Werner Rypalla, Peter Dörr
   
Tourenleitung und Bericht: Hans Sterr